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Erinnern wir uns: bis zu dem Abend, da weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufstieg, bis zum 13. März und der Wahl des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires Jorge Mario Kardinal Bergoglios zum Papst dominierten folgende Schlagzeilen die Presse-, Medien- und Plattformlandschaft in unseren Landen: „Viel Rauch um was eigentlich – ist die Kirche noch von dieser Welt?“ hieß es bei Plasberg am 11. März in „Hart, aber fair“! Ähnlich fragte Jauch am 11. Februar „Wie lebensnah ist die Kirche?“ Und noch pointierter formulierte er am Sonntag zuvor, dem 4. Februar 2013: „Wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?“ Hintergrund dieser Fragestellungen waren die Ereignisse und Vorgänge im Dezember 2012 und Januar 2013, die sich in den Medien in folgenden Titeln spiegelten: „Bischofskonferenz stoppt wissenschaftliche Studie (faz.net), „Bischöfe sollen Missbrauchsforschung zensiert haben“ (welt.de), „Pfeiffer wirft Kirche Aktenvernichtung vor“ oder „Katholische Kliniken weisen Vergewaltigungsopfer ab“ (süddeutsche.de), „Keine Hilfe für Vergewaltigungsopfer“ (taz.de) usw. Das ist nur eine kleine Auswahl dessen, was sich an Überschriften aus den ersten Monaten dieses Jahres angeboten hätte. Die vermeintliche Abweisung einer vergewaltigten jungen Frau durch die beiden Kölner Krankenhäuser trat eine mediale Lawine los, die verquickt mit dem zuvor in der Missbrauchsaufarbeitung aufgekündigten Vertrag zwischen den deutschen Bischöfen und dem Pfeifferschen Kriminologischen Forschungsinstitut ein Bild von Kirche als einem vertuschungswilligen, absolutistischen, menschen- und frauen-, besonders aber opferverachtenden System vermittelte.

Das hat nicht nur für das gesamtgesellschaftliche Image von Kirche und Caritas als Arbeitgeber erhebliche Folgen, solche Schlagzeilen, Konflikte und Krisensituationen gehen auch an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer kirchlichen und caritativen Institutionen und Angebote nicht spurlos vorüber. Sie tangieren ihr Selbstbewusstsein, ihre Loyalität zum Dienstgeber und provozieren die Frage nach der Identifikation mit der eigenen Arbeit, ihren Inhalten, Werten und nicht zuletzt dem Anspruch der Christlichkeit ihres Trägers. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eines Ortscaritasverbandes hatten vor diesem Hintergrund als Motto ihres Besinnungstags jenen Vorwurf gewählt, der sich ursprünglich an Petrus am Kohlenfeuer im Hof des hohepriesterlichen Hauses richtete: „Du bist doch einer von denen …“

Mit diesem Beispiel ist schon angedeutet, aus welcher Perspektive ich mich der Thematik „Kirche und Caritas als Arbeitgeber in der heutigen Zeit“ nähern will. Ohne sie jeweils ganz ausblenden zu können oder zu wollen, will ich nicht zuerst aus der Perspektive eines Dienstgebers oder juristischer Warte an die Themenstellung herangehen. Zunächst nämlich bin ich von meiner Profession weder Dienstgeber noch Jurist, sondern Theologe und als solcher werde ich mich der Frage nach Kirche und Caritas als Arbeitgeber in heutiger Zeit zu nähern versuchen.

In erster Linie als solcher und aus theologischen Gründen bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass Kirche und Caritas in der heutigen Zeit – nicht zuletzt als Arbeitgeber – nötiger und in diesem Sinne gefragter und zeitgemäßer sind denn je. Natürlich gibt es viele gute Gründe bei Kirche und Caritas zu arbeiten. Etwa die Tatsache, dass im Bereich des Gesundheitsmanagements und der Prävention viel und immer mehr getan wird. Dass zahlreiche Träger sich vorbildlich dadurch auszeichnen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, indem sie z. B. die Familienpflegzeit etablieren. Ganz nebenbei darf auch erwähnt werden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kirche und Caritas bzw. Diakonie in der Regel besser bezahlt werden als deren Kollegen in den Trägern privater oder öffentlicher Wohlfahrtspflege. Doch sind es meiner Ansicht nach gerade theologische Motive, die die Arbeit und Mitarbeit in Kirche und Caritas als attraktiv, sinnvoll und sinnstiftend erscheinen lassen.

Gerade weil wir katholisch sind, ist es gut, bei Kirche und Caritas zu arbeiten. Bei diesem Gedanken gehe ich vom ursprünglichen Verständnis des Wortes katholisch aus. Das im deutschen gebräuchliche Wort „katholisch“ ist von der griechischen Vokabel „katolou“ abgeleitet, was als „das Ganze, das Umfassende bezeichnend“ übersetzt werden kann. Katholisch-sein und Katholizität kennzeichnet daher schon von der Wortbedeutung her eine grundlegende Offenheit für andere, ja für alle. Diese Offenheit ist ein typisches Charakteristikum der christlichen Identität einer katholischen Einrichtung, eines katholischen Dienstes oder Angebotes wie wir sie auch seitens der Caritas vorhalten. Jede caritative Institution der Kirche steht – wie diese selbst – im Dienst an Gott und allen Menschen. Wie sich die Kirche der Universalität ihrer Sendung gemäß „zu allen Völkern, welcher Zeit und welchen Landes auch immer, gesandt“ weiß – wie es das Zweite Vatikanische Konzil in seiner pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute formuliert2 –, so wissen sich auch die kirchlichen und caritativen Einrichtungen, Dienste und Angebote nicht exklusiv nur für bestimmte Gruppen oder Personen zuständig, sondern stehen allen Menschen des jeweiligen gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und sozialen Umfelds offen, gleich welcher Nationalität oder welcher Religion sie sind.

Dementsprechend sind unsere Einrichtungen, Dienste und Angebote in dem Maße katholisch, als sie sich mit dem Ganzen der Kirche verbunden wissen und umgekehrt davon lernen, profitieren und ihren Nutzen haben können. Sie sind insofern katholisch, als sie sich als Teil eines größeren, eines all umfassenden, eben katholischen Ganzen verstehen und ein dementsprechendes Bewusstsein ausbilden getreu dem Motto „Ich gehöre dazu“, „Dabei sein ist alles“ und „Ich bin froh, dazu zu gehören“. Katholisch-sein heißt darum gerade nicht, alles zu sein oder alles machen und anbieten zu müssen, sondern heißt immer „nur“ ein Teil von Kirche, ein Teil des Ganzen werden zu müssen. Bedingung des Katholisch-Seins ist gerade nicht das Vollkommen- und Perfekt-sein, sondern gewissermaßen das Bewusstsein der eigenen Partikularität bzw. Teilhaftigkeit, der eigenen Begrenztheit und Kontingenz zu bewahren.

Das gilt zum einen im Hinblick auf jene Menschen, in deren Dienst und zu deren Hilfe und Unterstützung Kirche und Caritas als Dienstgeber in vielfältiger Hinsicht Trägerschaften übernommen haben – angefangen von den Tagesstätten für Kinder, über Einrichtungen der Jugend-, Behinderten- und Krankenhilfe bis hin zur Altenhilfe und Hospizen. Unsere grundlegend katholische Offenheit für alle zeigt sich zuerst darin, dass wir in unseren Einrichtungen, Diensten und Angeboten zeitgemäß dem Nächsten einfach so wie Jesus begegnen – das heißt, dass wir ihm ohne Bedingungen, ja sogar ohne religiöse Vereinnahmungen das zukommen zu lassen, was ihm, was jedem Menschen einfach so, seiner Würde wegen zusteht: Achtsamkeit, Respekt, Wertschätzung und Solidarität.

Das gesamte irdische Wirken Jesu Christi zeichnet sich durch eine intensive und vorbehaltlose Zuwendung zu den Menschen aus, besonders zu den Armen, Hilfebedürftigen und Ausgestoßenen. Diese Zuwendung vermittelte ihnen nicht nur eine ganz neue, einzigartige geradezu revolutionäre Wertschätzung, sondern auch ein radikal neues Gottesbild, zu dem selbst der erwachsene Mann Jesus Christus Abba, „Papi“, „Väterchen“ sagen kann. Es war eine Weltneuheit sowohl in der Antike als auch im Judentum und blieb es auch später bei den germanischen Gruppen und Verbänden, sich nicht einfach nur und auf Gegenseitigkeit beruhend den eigenen Familien, Sippen und Volksangehörigen wohlwollend gegenüber zu verhalten, sondern unterschiedslos allen Menschen in dieser Haltung zu begegnen. Im Umgang mit allen und jeden, die niederschlagen, auf Hilfe, Unterstützung; Beratung und Begleitung angewiesen sind, wird in den Einrichtungen und Angeboten von Kirche und Caritas jene grundlegend katholische Offenheit sichtbar, die schon Jesus in seinem offenen und unvoreingenommenen Umgang mit den Menschen prägte.

Diese grundlegend katholische Offenheit gilt neben den Blick nach außen selbstverständlich auch nach innen auf die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn die Grundordnung auch vorsieht, dass pastorale, katechetische sowie in der Regel pädagogische und leitende Aufgaben nur an Katholiken übertragen werden können, formuliert sie neben den Erwartungen an katholische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz selbstverständlich auch solche an anders-christliche wie an nichtchristliche. Letztere müssen „nur“ bereit sein, die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Papst Benedikt XVI. hat im Motuproprio „Intima ecclesiae“ vom 10. Dezember 2012 über den Dienst der Liebe in der Kirche, eines der letzten Dokumente seines Pontifikats, verfügt, dass caritative Einrichtungen gehalten sind, ihre Mitarbeiter unter solchen Personen auszuwählen, „die die katholische Identität dieser Werke teilen oder zumindest respektieren.“

Darüber hinaus gehört zum kirchlichen und caritativen Mehr der verschiedenen Einrichtungen in christlicher Trägerschaft, dass nicht nur jene, die in ihnen Hilfe, Unterstützung oder sonstige Leistungen suchen, sondern auch jene, die in ihnen arbeiten, weder rund um die Uhr perfekte Leistungsträger noch sonst wie vollendete Menschen sein müssen. Bei aller seitens der Grundordnung von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Recht erwarteten fachlichen Tüchtigkeit und gewissenhaften Erfüllung der übertragenen Aufgaben4, dürfen sie auch weiterhin unvollkommen sein. Bei allem was an Leistung und Arbeit, an Kompetenz und Loyalität qualitativ und quantitativ zu erwarten ist, müssen sie schon deshalb nicht perfekt sein, weil es mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar wäre. Das christliche Menschenbild weiß um die Grenzen des Menschen. Der kirchliche und caritative Dienstgeber weiß in diesem positiven Sinn ebenfalls um die Grenzen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Man darf Fehler machen und in allen Bereichen hinzulernen.

Vor diesem Hintergrund kommt der Gestaltung des Fort- und Weiterbildungsauftrags kirchlicher und caritativer Dienstgeber, wie er in Art. 9 der Grundordnung formuliert ist, eine besondere Bedeutung zu. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika „Centesimus annus“ die Mitarbeiter eines Wirtschaftsunternehmens als dessen kostbarstes Vermögen und entscheidenden Produktionsfaktor bezeichnet. Ohne Zweifel gilt dies für Dienste, Leistungen und Unternehmen von Kirche und Caritas umso mehr, weil diese ihre Dienstleistungen und Angebote allein durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und persönliche Beziehungen verwirklichen können. Insofern kommt der Fort- und Weiterbildung nicht nur als Kompetenz- und Qualitätserweiterung, zur Schulung von Kenntnissen und Weiterentwicklung beruflicher Fähigkeiten und Instrumente, ein hoher Stellenwert zu. Vielmehr noch sollte es einem kirchlichen und caritativen Dienstgeber in dem von Papst Johannes Paul II. markierten Rahmen darum gehen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem zu fördern, was sein Nachfolger Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ Herzensbildung nennt, also in der Auseinandersetzung mit den spirituellen, religiösen, biblischen und christlichen Dimensionen, Werten und Fundamenten der eigenen Arbeit.

In diesem Zusammenhang wird neben der Fort- und Weiterbildung die Bedeutung von Ausbildung für das caritative und kirchliche Mehr in unseren Diensten, Leistungen und Angeboten offensichtlich. Ausbildung kostet etwas und ist mit nicht geringen Investitionen unterschiedlicher Art verbunden. Gleichwohl ist nur auf diese Weise eine nachhaltige Personalentwicklung zu betreiben. Wenn wir morgen und übermorgen gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wollen, die auch aus christlichem Selbstverständnis heraus ihre Arbeit mit Sinn und Freude tun wollen, dann werden wir um solche Investitionen in Ausbildung heute nicht herumkommen. Die ganze Bandbreite unserer Träger und Einrichtungen im kirchlichen und caritativen Sektor ist ein hohes Pfund, mit dem wir derzeit immer noch wuchern können, um junge Menschen in vielfacher Hinsicht fundiert und qualifiziert auszubilden. Das gilt neben der fachlichen Qualifizierung auch für die im zwischenmenschlichen Bereich nach unserem Verständnis wesentlichen, christlichen Grundhaltungen. Noch ermöglicht es unser stark ausgebautes Netz unterschiedlichster Dienstleistungsangebote nicht zuletzt die christliche Haltung bei jungen Menschen auszubilden und zu fördern, die in ihrer bisherigen Lebensgeschichte kaum oder nur wenig mit religiösen und explizit christlichen Fragestellungen konfrontiert wurden.

In Fragen des Glaubens und der christlichen Lebensführung braucht auch heutzutage niemand beim Arbeitgeber Kirche und Caritas perfekt zu sein. Gerade ihrer grundlegend katholischen Offenheit wegen sind die Dienstgeber Kirche und Caritas ganz im Gegenteil der Ansicht, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – einschließlich jener in leitenden Aufgaben – im Hinblick auf ihr Christsein immer noch etwas hinzulernen dürfen und können, ja sogar lebenslänglich Lernende bleiben.

Das ist ohne Zweifel das kirchliche und caritative Mehr unseres auf dem christlichen Menschenbild basierenden Arbeitsspektrums: Dass der Mensch – im Unterschied zu nicht wenigen anderen Arbeitgebern in unserem Land – bei uns eben nicht hundertprozentig perfekt sein muss. Insofern sind Kirche und Caritas gerade in einer Zeit, in der alles auf Effektivität, Effizienz, Leistungssteigerung und Produktivität getrimmt wird, als Arbeitgeber von kaum zu unterschätzender Bedeutung: Wir verstehen uns von unserem kirchlichen Selbstverständnis her als der Raum in dieser Welt, der sakramental, also zeichen- und werkzeughaft7 zuerst und zunächst von dem Zwecklosen schlechthin, dem absolut diese Welt und alle Wirklichkeit überlegenen Gott zeugt; von dem Gott, der uns die Ausdauer und die Zuversicht gibt, in dieser verzweckten Welt mehr sein zu dürfen und zu sollen als ein reibungslos funktionierendes Rädchen im Getriebe. Für diesen Gott stehen wir auch als Arbeitgeber in Kirche und Caritas. In einer immer perfekteren Welt sind und wollen Kirche und Caritas um Gottes und des Menschen willen Orte des Imperfekten sein – und stellen insofern einen Mehrwert für diese Gesellschaft dar.

Diese Perspektive mag auf die Frage danach, was uns als Kirche und Caritas von anderen Arbeitgebern unterscheidet, für den ein oder anderen vielleicht eine enttäuschende Antwort sein. Denn oft wird die Frage so gestellt, dass im Vergleich mit anderen Trägern, Akteuren und Anbietern das unternehmerisch Messbare, Evaluierbare und Unterscheidbare zur Sprache gebracht werden soll. Es ist also meistens eine negative, eine abgrenzend insinuierte Fragestellung: Was habe oder kann ich, das die anderen nicht haben oder können – das Altenheim der AWO oder des Paritätischen, der evangelische Kindergarten oder die Helios-Klinik, der kommunale Jugendtreff oder der private ambulante Pflegedienst?

Es gibt – wie gesagt – gute Gründe bei Kirche und Caritas zu arbeiten, aber das erlaubt keineswegs und automatisch die Schlussfolgerung, dass wir in Kategorien ökonomischer Koordinatensysteme, in beeindruckenden Zahlen des Marktes, Wettbewerbs und Benchmarkings die besseren Arbeitgeber im Vergleich zu anderen Arbeitgebern, zu privaten oder öffentlichen Anbietern in der Wohlfahrtspflege sind, es gar sein müssten oder sollten. Wir pflegen und erziehen nicht besser oder schlechter, wir entwickeln das Personal und managen die Finanzen nicht besser oder schlechter, wir leiten, führen und kommunizieren nicht besser oder schlechter als die anderen. Wir sind als Kirche und Caritas keine schlechteren oder besseren Arbeitgeber als andere auch.

Und warum braucht’s uns dann als solche, als Arbeitgeber? Alles, was wirtschaftlich noch irgendwie profitabel erscheint, wird uns schon jemand abnehmen – wenn es nötig wäre oder notwendig wird. Darüber müssen wir uns keine Gedanken machen. Ein Blick nach Großbritannien jedoch oder schon in das gar nicht so weit entfernte Nachbarland der Niederlande zeigt, welche Folgen sich für die Kirchen ergeben, wenn sie nicht mehr als Träger von und Arbeitgeber in Sozialsystemen fungieren sollten. Sowohl in den Niederlanden als auch in Großbritannien hat der Staat in den sechziger Jahren die bis dahin größtenteils und vielerorts von den Kirchen getragenen Wohltätigkeitssysteme übernommen. Während in Großbritannien natürlich die anglikanische Kirche als hauptsächlicher Akteur kirchlicher Hilfeleistung in Erscheinung trat, war in den Niederlanden die katholische Kirche bis zum Ende der 50er Jahre Träger mehr als die Hälfte allein aller niederländischen Krankenhäuser und Altenheime. Hüben wie drüben des Kanals aber verloren die beiden Kirchen in dem Maße ihre zivilgesellschaftliche Relevanz, in dem sie Krankenhäuser, Kinder-, Jugend-, Behinderten-, Wohnungslosen- oder Altenhilfeeinrichtungen nicht mehr in dem umfangreichen und stellenweise flächendecken Umfang wie zuvor vorhielten. In sozialethischen und gesellschaftlichen Debatten oder Diskursen über Themen wie Präimplantationsdiagnostik, Abtreibung, Organspende, Arbeitsmarktgestaltung und Arbeitslosigkeit, gerechter Lohn, Asyl und Migration, Euthanasie, Schulden- und Finanzkrise oder der Nutzung der Atomenergie werden sie nicht mehr als ernsthafte Gesprächspartner wahrgenommen. Ein Blick über den Tellerrand der bundesrepublikanischen Situation hinaus macht daher schnell offensichtlich, dass die Kirchen für ihre gesellschaftliche Präsenz und Plausibilität sowie einen zumindest halbwegs öffentlich vernehmbaren Einfluss auf sozialethische Fragestellungen und Herausforderungen hierzulande unbedingt institutionalisierte und funktionierende Netzwerke sozialer Einrichtungen brauchen und als Arbeitgeber in diesen Netzwerken agieren sollten. Die Nachhaltigkeit der kirchlichen Relevanz in der politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Welt der Bundesrepublik Deutschland verdankt sich nicht zuletzt der wirksamen Verortung und Einfügung solcher sozial-caritativen Institutionen in den üblichen gesellschaftlichen Systemen und Strukturen – das gilt für die Anpassung von Diakonie und Caritas an verbandspolitische Systeme wie für die Inanspruchnahme staatlicher und europäischer Finanzierungsstrukturen bis hin zur Implementierung von Caritaslehrstühlen im hiesigen Universitätssystem. Die besondere Geschichte der Kirchen und ihrer Wohltätigkeitseinrichtungen im Osten Deutschlands ist ein weiterer Beleg für diese These.

Das innerkirchlich auch in jüngster Zeit wieder medienwirksam geäußerte Desiderat nach der Entweltlichung der Kirche und ihrer Caritas8 bekommt ausgerechnet von explizit weltlich ausgerichteten Zirkeln Flankenschutz. Nicht wenige Unternehmensberatungen haben den Kirchen der Bundesrepublik in den letzten Jahren geraten, sie sollten sich auf ihr Kerngeschäft beschränken. Dabei wird als solches vor allem der Gottesdienst, die Liturgie der Kirche und ihre Verkündigung, die Martyria, ausgemacht. Dann kommt vielleicht noch die Seelsorge, die Spiritualität und die Mission. Caritas und Diakonie jedoch rücken in Denkkategorien, in denen Prioritäten und Posterioritäten eine entscheidende Rolle spielen, ziemlich weit nach hinten. Denn das können – wie es dann heißt – ja auch die anderen: Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische und die vielen privaten Anbieter.

Was sich aus derartigen Analysen und Ratschlägen von Unternehmensberatungen, Werbestrategen und Marketingmanagern sicher ableiten lässt, ist eigentlich nur, dass ihnen ein grundlegendes Verständnis vom Wesen und Geheimnis, vom Sinn und der Funktion von Kirche und Caritas abgeht. Die Caritas macht das Kerngeschäft der Kirche nicht weniger aus als Liturgie und Verkündigung. Genauso lang – d.h. von Anfang an – wie sie sich zum Gedächtnis des Herrn beim Brechen des Brotes versammelten, haben die Christen die Kranken und Gefangenen besucht, die Nackten bekleidetet, die Obdachlosen und Fremden aufgenommen, die Hungrigen und Durstigen gespeist. Genauso wie an der Pfingstpredigt des Petrus, den Katechesen der Kirchenväter zur Eingliederung in die Kirche, im Großen Katechismus des Petrus Canisius konnten die Zeitgenossen stets an der Caritas der Kirche ablesen, was die Christen von der Botschaft Jesu Christi verstanden hatten. Die Feier des Gottesdienstes, die Verkündigung von Gottes Wort und der Dienst der Liebe machen zusammen das sog. Kerngeschäft der Kirche aus – eine in ekklesialen Sprachkontexten nach meiner Ansicht ohnehin leicht deplatzierte Vokabel.

Hier liegt die – sofern denn Kirche und Caritas als Arbeitgeber das überhaupt wollen – für die Suche nach Alleinstellungsmerkmalen eine mögliche Fundgrube. Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit und Wertschätzung oder Anerkennung in Familien, Nachbarschaft, Selbsthilfegruppen, Vereinigungen und Verbänden spürbar und erfahrbar zu machen, ist der Mehrwert caritativer und kirchlicher Wohlfahrt im Vergleich zu rein an Profit ausgerichteten Akteuren im Wohlfahrtssektor. Hier komme ich noch einmal zurück auf das vorhin bereits erwähnte radikal Neue, das mit Jesus Christus in die Welt gekommen ist: die vorbehalt- und bedingungslose, die wertschätzende und würdigende Zuwendung zu den Menschen – oder die grundlegende katholische Offenheit. Derjenige, der eine Hilfe- oder Unterstützungsleistung in einem kirchlichen Wohlfahrtsverband in Anspruch nimmt, wer als Patient in ein katholisches Krankenhaus kommt, als Bewohnerin und Bewohner bewusst ein kirchliches Altenheim wählt oder sein Kind dezidiert den Pädagoginnen und Pädagogen einer katholischen Kindertageseinrichtung überantwortet, unterstellt – im positivem Sinn – diesen Einrichtungen ein höheres Maß an Zuwendung, Nähe und Menschlichkeit als er dies in anderen vergleichbaren Diensten und Leistungen der privaten oder Freien Wohlfahrtspflege erwartet. Genau diese Erwartung markiert den Mehrwert caritativer und kirchlicher Einrichtungen und Angebote. Sie stehen für die Vermenschlichung unserer Gesellschaft oder werden – die Worte des Philosophen Jürgen Habermas aufgreifend – zur institutionellen „Artikulation eines Bewusstseins von dem, was fehlt“. Habermas erinnert mit dieser Formulierung an die Bedeutung der Religion für Gesellschaft. „Religiöse Überlieferungen“, so Habermas, „halten eine Sensibilität für Versagtes wach ...“9 Die zutiefst menschliche Zuwendung nach Jesu Beispiel – also Zeit zu haben, zuzuhören, dem Menschen etwas zuzutrauen und zuweilen auch zärtlich zu sein – zeugt von solcher Sensibilität für Versagtes oder auch Imperfektes in unserer Gesellschaft, vom Bewusstsein dessen, was dauerhafter vielleicht noch mehr fehlen wird als jetzt schon.

Insofern leben Kirche und Caritas mit ihren Dienstleistungen und Angeboten von der emotionalen Bindung jener, die in ihnen Begleitung, Hilfe oder Unterstützung suchen. Das gleiche gilt für deren Angehörige. Die emotionale Bindung hängt natürlich in besonderer Weise von positiven Erfahrungen ab, die die Menschen in den einzelnen Einrichtungen oder mit den Hilfe- und Unterstützungsangeboten gemacht haben. Der hohe Anspruch, der im Motto der Caritas: „Not sehen und handeln“ zum Ausdruck kommt, markiert die Messlatte für die Leistungen der caritativen und kirchlichen Angebote. Denn in dem Motto wird indirekt nicht nur der Anspruch, sondern auch die Zusage suggeriert, mehr als das anzubieten und zu tun, was die anderen in diesen Sektoren tun. Eben nicht zuletzt ein bisschen mehr an persönlicher Hinwendung und Hilfestellung.

Schon unser Name beinhaltet eine Art Versprechen auf ein Mehr an menschlicher und persönlicher Nähe.

Als Arbeitgeber muss es Kirche und Caritas zum einen gelingen, durch ausdrückliche Zuwendung zu den Hilfe-, Rat- und Unterstützungssuchenden, einen Geist auszuprägen, in dem tatsächlich Zeit, ein offenes Ohr, das Zutrauen in die eigenen Kräfte und Fähigkeiten für sie und ihre Anliegen zur Verfügung steht. Zum anderen gilt dasselbe innerhalb der jeweiligen Dienstgemeinschaft in kirchlichen und caritativen Arbeitsverhältnissen und im Umgang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander – auf allen Ebenen und in alle Richtungen. Alles zusammen genommen muss den notwendigen Rahmen, sprich die Zeit dafür bieten, dass die Zuwendung zum Menschen im Sinne Jesu Christi, die grundlegende katholische Offenheit konkret möglich ist – vom Träger, Vorsitzenden oder Geschäftsführer angefangen bis hin zum Reinigungspersonal. Das wird Kirche und Caritas als Arbeitgeber meines Erachtens auf Dauer etwas wert sein müssen. Das Bemühen darum Orte, Räume, Arbeitsstätten vorzuhalten, die von der Sensibilität für Versagtes zeugen, vom Bewusstsein dessen, was in unserer Gesellschaft fehlt, die um Gottes und des Menschen willen Orte des Imperfekten sind, rechnet sich natürlich nicht und ist wirtschaftlich nicht darstellbar. Bis auf wenige Bereiche – in absehbarer Zeit vielleicht noch ein wenig in der Altenhilfe – ist damit nichts zu verdienen ist. Doch bleiben in einer alles und jeden verzweckenden Gesellschaft, in einer dem Profit und wachsender Ökonomisierung sich verschreibenden Welt am Ende nur noch Kirche und Caritas, die solche Orte vorzuhalten vermögen: Orte, Institutionen, Arbeitsfelder, die Bewohnern, Kunden, Patienten, Nutzern, Besuchern, Angehörigen ebenso wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Räume eröffnen, sich nicht zuerst und zuletzt durch Effektivität und Effizienz, durch Produktivität und Leistungskurven, durch Geld, Geltung oder Ansehen beweisen zu müssen. Was ich während meines Urlaubs im Feuilleton der Frankfurter über den Neubau der Autobahnkirche Siegerland an der A 45 las, ist symptomatisch für unsere Zeit und Gesellschaft. Die Autobahnkirche Siegerland – hieß es da – ist „ein weiterer Beweis, dass momentan der Sakralbau … eine letzte Bastion ist, in der Architekten sich gestalterisch frei von Trends, Normen und Zwängen entfalten können.“ Das lässt sich ohne weiteres auf Kirche und Caritas insgesamt ausweiten.

Nochmals: Das wird Kirche und Caritas als Arbeitgeber noch mehr wert sein müssen als bisher schon. Und gewiss wird das nicht refinanziert, macht sich aber – wie ich meine – ebenso sicher bezahlt. Das lässt sich schon am barmherzigen Samariter ablesen, der die zwei Denare, die er dem Wirt der Herberge für die Verpflegung des unter die Räuber Geratenen in die Hand gedrückt hat, meines Wissens auch nicht refinanziert bekam. Wenn wir uns – um in diesem Bild zu bleiben – diese zwei Denare nicht leisten, kostet uns das auf Dauer unsere Glaubwürdigkeit.

„Ich überlasse es jedem“, schreibt Heinrich Böll, „sich den Alptraum einer Welt vorzustellen, in der Gottlosigkeit konsequent praktiziert würde: den Menschen in die Hände des Menschen fallen zu lassen. Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in der christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache; und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe, für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen.“

Kirche und Caritas garantieren gerade in ihrer Funktion als Arbeitgeber solche Räume und sind darum in heutiger Zeit nötiger und zeitgemäßer denn je.